Das Hungergefühl feiern

"Moment, das muss ich mir kurz aufschreiben", sagte ich zu meinen Kursteilnehmern am Bildschirm. Eine Teilnehmerin hatte nämlich gesagt: "Ich feiere immer mein Hungergefühl." Ja, sie nimmt das Magensignal zwischen den Mahlzeiten jetzt bewusst wahr und bewertet es  anders. Nicht mehr als Aufforderung zum Snack oder als etwas Bedrohliches, das sie vor Kraftlosigkeit gleich zusammenbrechen lässt. Sie weiß jetzt, dass es ihr mitteilt, dass ihr Stoffwechsel gut funktioniert, dass sie bei der vorangegangenen Mahlzeit moderat, also nicht zu viel gegessen hat und dass in diesem Augenblick gerade wieder ein bisschen Körperfett dahinschmilzt. Sie ist so glücklich, dass sie Schritt für Schritt leichter wird. Wasser trinken zwischen den Mahlzeiten ist für sie jetzt normal. 

Eine andere Teilnehmerin hat die Zehnergrenze unterschritten, sieht also seit Jahren endlich wieder die acht statt die neun vornedran. 

Ein Teilnehmer hat seine Leidenschaft für das Fahrrad fahren neu entdeckt.

Zwei Teilnehmerinnen haben sogar während ihres Urlaubs  abgenommen. Eine Teilnehmerin bewegt sich jetzt viel mehr als früher. Ich bin froh, dass ich den Sommer-Zoomkurs gestartet habe. Und mein eigenes Hungergefühl? Das rückt manchmal in den Hintergrund, weil ich gerade an einer verrückten Geschichte schreibe. Es kann passieren, dass ich mich so hinein vertiefe, dass mein Magen sich sehr massiv melden muss, bevor ich ihn berücksichtige. Dass ich meiner Leidenschaft Schreiben nachgehe, bewahrt mich vor essen aus Langeweile. Oder essen als Alibifunktion - ich tue sozusagen etwas, aber eigentlich ist es ja so, dass ich gerade keine Lust habe, die dringend fälligen Fenster zu putzen.

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